Donnerstag, 24. April 2014

Komplexe Mannigfaltigkeiten: Zur Übung vom 24.04.

Durchschnitte analytischer Mengen


Es gilt der folgende
Satz. Sei $n \in \N$, $U \subset \C^n$ offen, $(A_i)_{i \in I}$ eine nichtleere Familie analytischer Teilmengen von $U$. Dann ist $\bigcap_{i \in I} A_i$ analytisch in $U$. Zudem existiert für jede (relativ) kompakte Teilmenge $K$ von $U$ eine endliche Teilmenge $J \subset I$, so dass \[(\bigcap_{i \in I} A_i) \cap K = (\bigcap_{i \in J} A_i) \cap K.\]
Ein sehr eleganter Beweis dieses Satzes findet sich im Buch von Chirka unter „Theorem“ in Abschnitt 5.6.

Lokale vs. globale Eigenschaften topologischer Räume


Sei $\phi$ eine Eigenschaft topologischer Räume. Wir schreiben $\phi(X)$, um auszudrücken, dass $X$ die Eigenschaft $\phi$ besitzt. Wir nennen die Eigenschaft $\phi$ lokal, wenn gilt:
Ist $X$ ein topologischer Raum und gibt es für alle $x \in X$ eine Umgebung $U$ von $x$ in $X$, so dass $\phi(X|_U)$, dann folgt $\phi(X)$.
Hier bezeichnet $X|_U$ den von $X$ auf $U$ induzierten topologischen Unterraum.
Anschaulich gesprochen ist eine Eigenschaft also lokal, wenn sie sich bereits durch die Beschaffenheit kleiner Umgebungen eines jeden Punktes eines topologischen Raums entscheiden lässt.
Einige Beispiele (stets sei dabei $X$ ein topologischer Raum):
  1. Lokale Kompaktheit. $X$ heißt lokalkompakt, wenn für alle $x \in X$ und alle Umgebungen $V$ von $x$ in $X$ eine kompakte Umgebung $K$ von $x$ in $X$ mit $K \subset V$ existiert. Sei $x \in X$ und $U$ eine Umgebung von $x$ in $X$, so dass $X|_U$ lokalkompakt ist. Sei weiter $V$ irgendeine Umgebung von $x$ in $X$. Dann ist $V \cap U$ eine Umgebung von $x$ in $X|_U$. Demzufolge gibt es eine kompakte Umgebung $K$ von $x$ in $X|_U$, so dass $K \subset V \cap U$. Insbesondere ist $K$ kompakt in $X$ und es gilt $K \subset V$. Zudem ist $K$ eine Umgebung von $x$ in $X$ (wie man leicht einsieht). Fazit: Die Eigenschaft der lokalen Kompaktheit ist lokal.
  2. Erstabzählbarkeit. $X$ heißt erstabzählbar, wenn ein jeder Punkt von $X$ eine abzählbare Umgebungsbasis besitzt, das heißt: für alle $x \in X$ existiert eine abzählbare Menge $B$ von Umgebungen von $x$ in $X$, so dass für alle Umgebungen $V$ von $x$ in $X$ ein $W \in B$ existiert, so dass $W \subset V$. Angenommen, $x \in X$ und $U$ ist eine Umgebung von $x$ in $X$, so dass $X|_U$ erstabzählbar ist. Dann gibt es also eine abzählbare Umgebungsbasis $B$ von $x$ in $X|_U$. Leicht überlegt man sich, dass $B$ auch eine Umgebungsbasis von $x$ in $X$ ist. Fazit: Die Eigenschaft der Erstabzählbarkeit ist lokal.
  3. Hausdorff-Eigenschaft. Die Hausdorff-Eigenschaft ist offenbar keine lokale Eigenschaft topologischer Räume, wie etwa das typische Beispiel der Gerade mit einem „Doppelpunkt“ zeigt – hierzu klebe man eine Kopie von $\R$ (versehen mit euklidischer Topologie) entlang der Identität auf $\R \setminus \{0\}$ an eine weitere Kopie von $\R$ an. Der entstehende Raum wird von zwei offenen Mengen überdeckt, die jeweils homöomorph zu $\R$ und mithin insbesondere Hausdorff sind; der Raum selbst ist jedoch nicht Hausdorff, da die Nullpunkte der beiden Kopien von $\R$ keine disjunkten Umgebungen besitzen.
  4. Zweitabzählbarkeit. $X$ heißt zweitabzählbar, wenn $X$ eine abzählbare (topologische) Basis besitzt, das heißt, wenn es eine abzählbare Teilmenge $B$ der Topologie von $X$ gibt, so dass für alle offenen Teilmengen $U$ von $X$ und alle $x \in U$ ein Element $V \in B$ existiert, so dass $x \in V$ und $V \subset U$. Dass es sich bei der Zweitabzählbarkeit um keine lokale Eigenschaft handelt, ist leicht ersichtlich: Sei dazu $X$ ein Topologischer Raum mit diskreter Topologie und überabzählbarer Grundmenge (die Grundmenge könnte etwa die Potenzmenge von $\N$ sein). Dann ist für alle $x \in X$ die Menge $\{x\}$ eine Umgebung von $x$ in $X$, die $\{\{x\}\}$ als (abzählbare) Basis besitzt. Andererseits besitzt $X$ selbst keine abzählbare Basis, da jede Basis von $X$ jede Menge $\{x\}$ mit $x \in X$ enthalten muss (dies liefert eine injektive Abbildung vom überabzählbaren $X$ in die Basis, wodurch die Basis nicht abzählbar sein kann).
Was lernen wir für die topologische Struktur komplexer (oder anderer) Mannigfaltigkeiten?
Metasatz. Sei $\phi$ eine lokale Eigenschaft topologischer Räume, die zudem invariant unter Homöomorphie ist (das heißt, für homöomorphe topologische Räume $X$ und $Y$ gelte $\phi(X) \implies \phi(Y)$). Sei $n \in \N$, so dass $\phi(\R^n)$. Dann gilt $\phi(X)$ für alle topologischen Räume $X$, die lokal homöormorph zu $\R^n$ sind.
Insbesondere erben also komplexe $n$-Mannigfaltigkeiten alle lokalen topologischen Eigenschaften von $\R^{2n}$, so: Lokale Kompaktheit, Erstabzählbarkeit, lokale Zusammenziehbarkeit (jeder Punkt besitzt eine Umgebungsbasis zusammenziehbarer Räume). „Globale“ Eigenschaften (sprich Eigenschaften, welche nicht lokal sind) des euklidischen Raums werden jedoch a priori nicht auf Mannigfaltigkeiten übertragen. Möchte man im Hinblick auf gewisse Anwendungen (etwa Existenz von Teilungen der Eins) dennoch die globale Struktur einer Mannigfaltigkeit kontrollieren können, so müssen etwaige globale Eigenschaften (üblicherweise die Hausdorff-Eigenschaft sowie die Zweitabzählbarkeit) ausdrücklich eingefordert werden.

Der Satz von Radó


Wie Andreas in unserer Übung richtig angemerkt hat, ist in obigem Zusammenhang der folgende Satz von Tibor Radó erwähnenswert.
Satz. Sei $(X,A)$ ein Paar bestehend aus einem zusammenhängenden Hausdorff-Raum $X$ und einem $1$-dimensionalen komplexen Atlas $A$ auf $X$ (würde man zu einer Äquivalenzklasse von Atlanten oder einem maximalen Atlas übergehen, könnte man sagen, $(X,A)$ sei eine Riemannsche Fläche; um Missverständnisse zu vermeiden, verzichten wir jedoch auf diese Namensgebung). Dann ist $X$ zweitabzählbar.
Der Satz von Radó stellt einen vermeintlichen Schluss „lokal nach global“ dar, wenn man die Mannigfaltigkeit-Eigenschaft als lokal und die Zweitabzählbarkeit als global deutet. Diese Sichtweise verzerrt aber das eigentliche Bild. Zum einen fordern wir bereits auf topologischer Ebene im Antezedens der Aussage mit dem Zusammenhang und der Hausdorff-Eigenschaft zwei (wenngleich schwache) globale Eigenschaften für $X$ ein. Zum anderen ist die Existenz eines komplexen Atlasses auf $X$ sehr wohl auch eine globale Eigenschaft! Die „Globalität“ in der Existenz eines komplexen Atlasses entsteht dabei durch die Forderung der holomorphen Verträglichkeit der einzelnen Karten $\phi \in A$.

Eine sehr schöne Darstellung zum Satz von Radó findet sich in diesem Buch von Hubbard [H], Abschnitt 1.3. Die Originalarbeit gibt es hier. Zum Abschluss noch als Wort der Warnung:
Proposition.
  1. Es gibt ein Paar $(X,A)$ bestehend aus einem zusammenhängenden Hausdorff-Raum $X$ und einem $2$-dimensionalen komplexen Atlas $A$ auf $X$, so dass $X$ nicht zweitabzählbar ist.
  2. Es gibt ein Paar $(X,A)$ bestehend aus einem zusammenhängenden Hausdorff-Raum $X$ und einem $2$-dimensionalen reell-analytischen Atlas $A$ auf $X$, so dass $X$ nicht zweitabzählbar ist.
Beweis. 1. Siehe [H, Example 1.3.4]. 2. Man nehme die Prüfer-Fläche. $\Box$

Donnerstag, 10. April 2014

Komplexe Mannigfaltigkeiten: Differenzieren unter dem Integral im Komplexen

Folgender Satz über das Differenzieren parameterabhängiger Integrale ist in der Maßtheorie geläufig.
Satz 1. Seien $n,m \in \N$, $U \subset \R^n$ offen, $(\Omega,A,\mu)$ ein Maßraum, \[h \colon U \times \Omega \to \R^m\] eine Funktion. Angenommen,
  1. $h(x,-) \in L^1(\Omega,\mu,\R^m)$ für alle $x \in U$, 
  2. $h(-,\omega) \in C^1(U,\R^m)$ für alle $\omega \in \Omega$, 
  3. $D_xh(x,-) \in L^1(\Omega,\mu,\R^{m\times n})$ für alle $x \in U$, 
  4. es gibt eine Funktion $g \in L^1(\Omega,\mu,\R)$, so dass für alle $\omega \in \Omega$ und alle $x \in U$ gilt: \[||D_xh(x,\omega)|| \leq g(\omega).\]
Dann ist die Funktion \[H \colon U \to \R^m, \quad H(x) = \int_\Omega h(x,-) d\mu\] von der Klasse $C^1$ mit \[DH(x) = \int_\Omega D_xh(x,-) d\mu\] für alle $x \in U$.
In der Formulierung von Satz 1 bezeichnet $D_xh(x,\omega)$ das totale Differenzial der Funktion \[h(-,\omega) \colon U \to \R^m\] im Punkte $x$. Sämtliche totalen Differenziale fassen wir als Matrizen auf, sprich als Elemente von $\R^{n\times m}$. Die Doppelstriche $||-||$ bezeichnen irgendeine Norm auf $\R^{n\times m}$, etwa die Operatornorm, die von den euklidischen Normen induziert ist. Alle Integrale sind Lebesgue-Integrale. Integrale von $\R^m$- oder $\R^{n\times m}$-wertigen Funktionen erklärt man dabei komponentenweise.

Wir möchten aus obigem Satz einen entsprechenden Satz für Integrale ableiten, die von einem komplexen Parameter abhängen. Es gilt:
Satz 2. Sei $U \subset \C$ offen, $(\Omega, A, \mu)$ ein Maßraum, \[h \colon U \times \Omega \to \C\] eine Funktion. Angenommen,
  1. $h(z,-) \in L^1(\Omega,\mu,\C)$ für alle $z \in U$,
  2. $h(-,\omega) \in \mathcal O(U)$ für alle $\omega \in \Omega$,
  3. $h'(z,-) \in L^1(\Omega,\mu,\C)$ für alle $z \in U$ (hier bezeichnet $h'(z,\omega)$ die komplexe Ableitung der Funktion $h(-,\omega)$ im Punkt $z$),
  4. es gibt eine Funktion $g \in L^1(\Omega,\mu,\R)$, so dass für alle $\omega \in \Omega$ und alle $z \in U$ gilt: \[|h'(z,\omega)| \leq g(\omega).\]
Dann ist die Funktion \[H \colon U \to \C, \quad H(z) = \int_\Omega h(z,-) d\mu\] holomorph auf $U$ mit \[H'(z) = \int_\Omega h'(z,-) d\mu\] für alle $z \in U$.
Beweis. Sei $f \colon U \to \C$ irgendeine holomorphe Funktion, $z \in U$. Dann gilt \[||Df(z)|| = |f'(z)|,\] wobei links die von der euklidischen Norm auf $\R^2$ induzierte Matrixnorm des totalen Differenzials steht. Tatsächlich haben wir \[Df = \begin{pmatrix} u_x & -v_x \\ v_x & u_x\end{pmatrix}\] mit \[u = \Re f, \quad v = \Im f, \] also \[||Df(z)|| = \sqrt{u_x(z)^2 + v_x(z)^2} = |u_x(z) + iv_x(z)| = |f'(z)|;\] das erste Gleichheitszeichen rechnet man leicht nach. Daher ergibt sich $H \in C^1(U,\C)$ vermittels Satz 1 (man beachte: aus $h(-,\omega) \in \mathcal O(U)$ folgt $h(-,\omega) \in C^1(U,\C)$). Des Weiteren folgt aus Satz 1, dass \[DH(z) = \int_\Omega D_zh(z,-) d\mu\] für alle $z \in U$, insbesondere also (man Matrix-multipliziere beide Seiten von rechts mit dem Vektor $\frac12\binom1i$) \[\frac{\partial H}{\partial\bar z}(z) = \int_\Omega \frac{\partial h}{\partial\bar z}(z,-) d\mu = \int_\Omega 0 d\mu = 0\] für alle $z \in U$, da wir für alle $\omega \in \Omega$ die Funktionen $h(-,\omega)$ als holomorph angenommen hatten, wodurch die antiholomorphen Ableitungen unter dem Integral verschwinden. Bekanntlich ist somit $H \in \mathcal O(U)$. Zudem gilt für alle $z \in U$: \begin{align*}H'(z) & = \frac{\partial H}{\partial x}(z) = (DH(z))\binom10 \\ & = \int_\Omega (D_zh(z,-))\binom10 d\mu \\ & = \int_\Omega \frac{\partial h}{\partial x}(z,-) d\mu \\ & = \int_\Omega h'(z,-) d\mu,\end{align*} was zu beweisen war. $\Box$

Als Anwendung betrachten wir einen Punkt $c \in \C^n$, $n \in \N$, einen Multiradius $r = (r_1,\dots,r_n) > 0$ sowie eine Funktion \[f \colon T \to \C, \quad T = T(c,r).\] Hier ist
\[T(c,r) = T(c_1,r_1) \times \dots \times T(c_n,r_n)\]
und
\[T(c_\nu,r_\nu) = \{z_\nu \in \C \mid |z_\nu - c_\nu| = r_\nu\}, \quad \nu = 1,\dots,n.\]
Für $\nu = 1,\dots,n$ definieren wir \[\gamma_\nu \colon [0,2\pi] \to \C, \quad \gamma_\nu(\omega_\nu) = c_\nu + r_ve^{\omega_\nu i}.\] Weiter definieren wir \[\gamma \colon [0,2\pi]^n \to T \subset \C^n, \quad \gamma(\omega) = (\gamma_1(\omega_1),\dots,\gamma_n(\omega_n)).\] Wir wollen annahmen, dass \[f \circ \gamma \in L^1([0,2\pi]^n,\lambda,\C),\] wobei $\lambda$ die Einschränkung des $n$-dimensionalen Lebesgue-Maßes auf $[0,2\pi]^n \subset \R^n$ bezeichnet; dies gilt z. B., wenn $f \colon T \to \C$ Borel-messbar und beschränkt (spezieller noch: stetig) ist. Wir fixieren ein $\nu \in \{1,\dots,n\}$ sowie komplexe Zahlen \[z_1,\dots,z_{\nu-1},z_{\nu+1},\dots,z_n,\] so dass $|z_\mu - c_\mu| \neq r_\mu$ für alle $\mu \neq \nu$. Wir setzen \[U := \C \setminus T(c_\nu,r_\nu)\] und definieren \[h \colon U \times [0,2\pi]^n \to \C, \quad h(z_\nu,\omega) := \frac{f(\gamma(\omega))}{(\gamma(\omega) - z)^m}\gamma_1'(\omega_1)\cdot\ldots\cdot\gamma_n'(\omega_n).\] Hier ist $m = (m_1,\dots,m_n) \in (\N^*)^n$ ein beliebiger Multiindex. Dann gilt für alle $z_\nu \in U$ und alle $\omega \in [0,2\pi]^n$:
\begin{align*}
|h(z_\nu,\omega)| &= \frac{|(f \circ \gamma)(\omega)|}{|(\gamma(\omega) - z)^m|}r_1\cdot\ldots\cdot r_n \\ &\leq \frac{|(f \circ \gamma)(\omega)|}{|r_1 - |z_1||^{m_1}\cdot\ldots\cdot|r_n - |z_n||^{m_n}}r_1\cdot\ldots\cdot r_n.
\end{align*}
Das heißt, für alle $z_\nu \in U$ ist $h(z_\nu,-)$, zusammen mit $f\circ \gamma$, ein Element von $L^1([0,2\pi]^n,\lambda,\C)$. Weiterhin gilt offensichtlich $h(-,\omega) \in \mathcal O(U)$ für alle $\omega \in [0,2\pi]^n$, und für alle $z_\nu \in U$ haben wir zudem
\[h'(z_\nu,\omega) = m_\nu\frac{f(\gamma(\omega))}{(\gamma(\omega) - z)^{m + e_\nu}}\gamma_1'(\omega_1)\cdot\ldots\cdot\gamma_n'(\omega_n).\] Ähnlich wie für $h(z_\nu,-)$ sehen wir ein, dass \[h'(z_\nu,-) \in L^1([0,2\pi]^n,\lambda,\C)\] für alle $z_\nu \in U$.
Sei jetzt entweder $0 < r_\nu' < r_\nu$ oder $r_\nu' > r_\nu$ und entsprechend \[U' = \{z_\nu \mid |z_\nu - c_\nu| < r_\nu'\}\] oder \[U' = \{z_\nu \mid |z_\nu - c_\nu| > r_\nu'\}.\] Dann gibt es eine Funktion $g \in L^1([0,2\pi]^n,\lambda,\R)$, nämlich \[g = C |f \circ \gamma|\] für eine Zahl $C > 0$, so dass \[|h'(z_\nu,\omega)| \leq g(\omega)\] für alle $\omega \in [0,2\pi]^n$ und alle $z_\nu \in U'$. Satz 2 liefert daher, dass \[H|_{U'} \in \mathcal O(U')\] mit entsprechender Formel für $H'|_{U'}$. Da $r_\nu'$ beliebig nahe bei $r_\nu$ gewählt werden kann, folgt $H \in \mathcal O(U)$ und \[H'(z) = \int_{[0,2\pi]^n} h'(z_\nu,-) d\lambda\] für alle $z \in U$.

Hebt man die Fixierung der $z_1,\dots,z_{\nu-1},z_{\nu+1},\dots,z_n$ sowie die Fixierung von $\nu$ auf, so zeigt das vorgestellte Argument die partielle komplexe Differenzierbarkeit der Funktion \[z \mapsto \int_T \frac{f(\zeta)}{(\zeta - z)^m} d\zeta\] auf \[(\C \setminus T(c_1,r_1)) \times \dots \times (\C \setminus T(c_n,r_n)).\]

Freitag, 20. Dezember 2013

Übungen zur Analysis I (nicht vertieft): Alternativer alternativer Zugang zu Blatt 8, Aufgabe 4 b)

Als Reaktion auf meinen kürzlich veröffentlichten Eintrag „Übungen zur Analysis I (nicht vertieft): Alternativer Zugang zu Blatt 8, Aufgabe 4 b)“ erhielt ich von Herrn Prof. Rieder Nachricht über ein weiteres Argument, das beweist, dass für alle Folgen reeller Zahlen $(a_n)_{n\in\N}$ und alle $k\in\N_0$ die Beziehung
\begin{equation}
 \limsup_{n\to\infty} \sqrt[n]{|a_n|} = \limsup_{n\to\infty} \sqrt[n]{|a_{n+k}|} \label{e_main}
\end{equation} gilt. Die oberen Limiten werden dabei in \eqref{e_main} sowie im gesamten weiteren Verlauf stets bezogen auf die erweiterten reellen Zahlen $\bar\R = \R\cup\{\pm\infty\}$ berechnet. Ich gebe Herrn Prof. Rieders Argument sinngemäß wieder (und hoffe, er möge mir kleinere Abweichungen von seiner übermittelten Darstellung verzeihen).
Lemma. Sei $n_0\in\N$, $(b_n)_{n\geq n_0}$ eine Folge in $[0,\infty)$, $k\in\Z$. Dann gilt
\begin{equation}
 l := \limsup_{\substack{n\to\infty\\ n\geq n_0}} \sqrt[n]{b_n} \le \limsup_{\substack{n\to\infty\\ n\geq n_0-k}} \sqrt[n]{b_{n+k}} =: l'. \label{e_rieder}
\end{equation}
Beweis. Angenommen, \[l' < l.\] Dann gibt es reelle Zahlen $s,t$, so dass \[l' < s < t < l.\] Da $t < l$, haben wir \[t < \sup\{\sqrt[n]{b_n} \mid n \ge m\}\] für alle $m\in\N$, $m \ge n_0$. Das heißt, für alle $m\in\N$ mit $m\ge n_0$ gibt es ein $n\in\N$, so dass $n\geq m$ und \[t < \sqrt[n]{b_n}.\] Mit anderen Worten: die Menge \[\{n \in \N \mid n \geq n_0, t < \sqrt[n]{b_n}\}\] ist unendlich. Da alle Glieder der Folge $(\sqrt[n]{b_{n+k}})$ nichtnegativ sind, gilt $0 \leq l'$, also $0 < t$. Wir setzen \[w := \log{t}.\] Aufgrund der (strengen) Monotonie der Exponentialfunktion folgt damit für alle $n\in\N$, $n\geq n_0$ aus \[\exp(w) = t < \sqrt[n]{b_n},\] dass \[0 < b_n \quad \text{und} \quad w < \frac1n \log{b_n}.\] Somit ist die Menge \[\{n\in\N\mid n+k\geq n_0,0 < b_{n+k},w<\frac1{n+k}\log(b_{n+k})\}\] unendlich. Für alle $n\in\N$ mit $n\geq n_0-k$ und $0 < b_{n+k}$ impliziert \[w<\frac1{n+k}\log(b_{n+k}),\] dass \[\frac{n+k}n w < \frac1n\log(b_{n+k}).\] Da $0<s$, existiert $v := \log s$. Die Monotonie der Exponentialfunktion liefert $v < w$. Folglich existiert ein $n_1 \in \N$, so dass für alle $n\in\N$ mit $n\geq n_1$: \[v < \frac{n+k}n w.\] Demnach sind die Mengen \[\{n\in\N\mid n+k\geq n_0, 0<b_{n+k},v<\frac1n\log(b_{n+k})\},\] und mithin \[\{n\in\N\mid n\geq n_0-k, s < \sqrt[n]{b_{n+k}}\},\] unendlich. Für alle $m\in\N$ mit $m\geq n_0-k$ ist also \[s < \sup\{\sqrt[n]{b_{n+k}} \mid n \geq m\},\] das heißt \[ s \leq \limsup_{n\to\infty} \sqrt[n]{b_{n+k}} = l' < s,\] was im Widerspruch zur Irreflexivität von $<$ steht. Somit gilt nicht $l' < l$, und wir schließen auf \eqref{e_rieder}. $\Box$
Korollar 1. Sei $(b_n)_{n\in\N}$ eine Folge in $[0,\infty)$ und $k\in \N_0$. Dann gilt \[l := \limsup_{n\to\infty} \sqrt[n]{b_n} = \limsup_{n\to\infty} \sqrt[n]{b_{n+k}} =: l'.\]
Beweis. Das Lemma liefert sofort \[l \leq l'.\] Sei jetzt $(b'_n)_{n\in\N}$ gegeben durch \[b'_n = b_{n+k}.\] Dann folgt aus dem Lemma, angewendet auf $(b'_n)$ anstelle von $(b_n)$ und $-k$ anstelle von $k$, \[l' = \limsup_{n\to\infty} \sqrt[n]{b'_n} \leq \limsup_{\substack{n\to\infty\\ n\geq 1-(-k)}} \sqrt[n]{b'_{n+(-k)}} =: l''.\] Für alle $n\in\N$ mit $n \geq 1-(-k) = 1+k$ gilt aber: \[b'_{n+(-k)} = b_{(n+(-k))+k} = b_n.\] Das heißt, \[l'' = \limsup_{\substack{n\to\infty\\ n\geq 1+k}} \sqrt[n]{b_n} = \limsup_{n\to\infty} \sqrt[n]{b_n} = l.\] Aufgrund der Antisymmetrie von $\leq$ ergibt sich \[l=l',\] was zu beweisen war. $\Box$
Korollar 2. Sei $(a_n)_{n\in\N}$ eine Folge in $\R$ und $k\in \N_0$. Dann gilt \eqref{e_main}.
Beweis. \eqref{e_main} folgt unmittelbar aus Korollar 1 für $(b_n) = (|a_n|)$. $\Box$

Montag, 16. Dezember 2013

Übungen zur Analysis I (nicht vertieft): Alternativer Zugang zu Blatt 8, Aufgabe 4 b)

In Blatt 8, Aufgabe 4 b) geht es darum zu zeigen, dass für alle Folgen reeller Zahlen $(a_n)_{n\in\N_0}$ und alle $k\in\N_0$ die Potenzreihen \[\sum_{n=0}^\infty a_n \quad \text{und} \quad \sum_{n=0}^\infty a_{n+k}\] denselben Konvergenzradius besitzen. Ein Beweis dieser Tatsache ergibt sich, indem man ausnutzt, dass der Konvergenzradius der Potenzreihe \[P(x) = \sum_{n=0}^\infty a_nx^n\] dasjenige eindeutig bestimmte $r \in [0,+\infty]$ ist, so dass für alle $x\in\R$ die Reihe $P(x)$ konvergiert, wenn $|x|<r$, und divergiert, wenn $|x|>r$. Dieser Zugang wird in den Übungen vorgestellt.

Ein alternativer Zugang zur Aufgabe ergibt sich vermittels der Formel von Cauchy-Hadamard. Durch die Cauchy-Hadamardsche Formel nämlich verwandelt sich die Aussage aus der Aufgabe in die Identität:
\begin{equation}
 \limsup_{n\to\infty} \sqrt[n]{|a_n|} = \limsup_{n\to\infty} \sqrt[n]{|a_{n+k}|}. \label{e_claim}
\end{equation} Im Folgenden geben wir, unter den Hypothesen der Aufgabe, einen Beweis von \eqref{e_claim}, der sich nicht auf die Interpretation der Folge $(a_n)_{n\in\N_0}$ als Potenzreihe stützt. Tatsächlich beweisen wir in mehreren Schritten einige weiter reichende Aussagen.
Lemma. Sei $(f_n)_{n\in\N}$ eine Folge von Funktionen $[0,+\infty)\to\R$, so dass für alle $d\geq1$ und alle $\epsilon>0$ ein $n_0\in\N$ existiert, so dass für alle $n\geq n_0$ und alle $x\in[0,d]$: \[|f_n(x)-x|<\epsilon.\] (Bemerkung: Diese Bedingung bedeutet, dass die Funktionenfolge $(f_n)$ auf $[0,+\infty)$ kompakt konvergent gegen $\mathrm{id}_{[0,+\infty)}$ ist.) Sei außerdem $(x_n)_{n\in\N}$ eine Folge in $[0,+\infty)$. Dann ist $h$ ein Häufungspunkt von $(f_n(x_n))_{n\in\N}$, wenn $h$ ein Häufungspunkt von $(x_n)_{n\in\N}$ ist.
Beweis. Angenommen also, $h$ ist ein Häufungspunkt von $(x_n)_{n\in\N}$ (insbesondere gilt $h\in\R$). Sei $\epsilon>0$. Dann ist \[d := \max(h+\frac\epsilon2,1) \geq 1 \quad \text{und} \quad \frac\epsilon2 > 0.\] Daher existiert ein $n_0 \in \N$, so dass für alle $n\geq n_0$ und alle $x\in[0,d]$: \[|f_n(x)-x|<\frac\epsilon2.\] Sei jetzt $x \in [0,+\infty)$ mit $|x-h|<\frac\epsilon2$. Dann folgt $x\in[0,d]$ und wir haben für alle $n\geq n_0$: \[|f_n(x)-h| \leq |f_n(x)-x|+|x-h| < \frac\epsilon2+\frac\epsilon2=\epsilon.\] Mit der Menge \[\{n\in\N \mid |x_n-h|<\frac\epsilon2\}\] ist also auch die Menge \[\{n\in\N \mid |f_n(x_n)-h|<\epsilon\}\] unendlich. Demzufolge handelt es sich bei $h$ um einen Häufungspunkt von $(f_n(x_n))_{n\in\N}$. $\Box$
Proposition. Sei $k\in\N_0$. Es bezeichne $(f_n)_{n\in\N}$ diejenige Folge von Funktionen $[0,+\infty)\to\R$, die für alle $n\in\N$ und alle $x\in[0,+\infty)$ durch \[f_n(x) = \sqrt[n]{x^{n+k}}\] gegeben ist. Dann gibt es für alle $d\geq1$ und alle $\epsilon>0$ ein $n_0\in\N$, so dass für alle $n\geq n_0$ und alle $x \in [0,d]$: \begin{equation}|f_n(x)-x|<\epsilon.\label{e_lemma2}\end{equation}
Beweis. Seien $d\geq 1$ und $\epsilon>0$ vorgegeben. Dann gilt \[\lim_{n\to\infty}\sqrt[n]{d^k}=\lim_{n\to\infty}\sqrt[n]{\epsilon^k}=1,\] das heißt es existiert ein $n_0\in\N$, so dass für alle $n\in\N$ mit $n\geq n_0$ gilt: \[|\sqrt[n]{d^k}-1|<\frac\epsilon{d} \quad \text{und} \quad |\sqrt[n]{\epsilon^k}-1|<\epsilon.\] Sei jetzt $x\in[0,d]$. Angenommen, $x\leq1$ und $x<\epsilon$. Dann gilt:
\begin{align*}
 |f_n(x)-x| &= |\sqrt[n]{x^{n+k}}-x| = |(\sqrt[n]x)^{n+k}+x| = |x(\sqrt[n]x)^k-x| \\ &= x|(\sqrt[n]x)^k-1| = x(1-\sqrt[n]{x^k}) \leq x < \epsilon.
\end{align*} Angenommen, $x\leq 1$ und $\epsilon\leq x$. Dann haben wir:
\begin{align*}
 |f_n(x)-x| = x(1-(\sqrt[n]x)^k) &\leq 1-(\sqrt[n]x)^k \\ &\leq 1-(\sqrt[n]\epsilon)^k = |\sqrt[n]{\epsilon^k}-1|<\epsilon.
\end{align*} Wenn weder $x\leq1$ und $x<\epsilon$ noch $\epsilon\leq x\leq 1$, dann gilt $1<x$. Es folgt
\begin{align*}
 |f_n(x)-x| = x((\sqrt[n]x)^k-1) \leq d((\sqrt[n]d)^k-1) < d\frac\epsilon{d} = \epsilon,
\end{align*} was zu beweisen war. $\Box$
Korollar 1. Sei $k\in\N_0$. Es bezeichne $(g_n)_{n\in\N}$ diejenige Folge von Funktionen $[0,+\infty)\to\R$, die für alle $n\in\N$ und alle $y\in[0,+\infty)$ durch \[g_n(y) = \sqrt[n+k]{y^n}\] gegeben ist. Dann gibt es für alle $d\geq1$ und alle $\epsilon>0$ ein $n_0\in\N$, so dass für alle $n\geq n_0$ und alle $y\in [0,d]$: \[|g_n(y)-y|<\epsilon.\]
Beweis. Seien $d\geq1$ und $\epsilon>0$ vorgegeben. Sei $(f_n)$ die Folge aus der Proposition. Dann existiert nach der Proposition ein $n_0\in\N$, so dass für alle $n\geq n_0$ und alle $y\in[0,d]$ die Beziehung \eqref{e_lemma2} gilt. Für alle $n\in\N$ gilt: Als Komposition monotoner Funktionen ist $g_n$ monoton; zudem ist wegen $d\geq1$: \[g_n(d) = \sqrt[n+k]{d^n} \leq d.\] Das heißt, für alle $y \in [0,d]$ gilt \[0 = g_n(0) \leq g_n(y) \leq g_n(d) \leq d,\] mit anderen Worten \[y \in [0,d].\] Wenn $n\geq n_0$, ist also \[|g_n(y)-y| = |y-g_n(y)| = |f_n(g_n(y))-g_n(y)| < \epsilon\] mit Hilfe von \eqref{e_lemma2}. $\Box$
Korollar 2. Sei $k\in\N_0$ und $(c_n)_{n\in\N}$ eine Folge in $[0,+\infty)$. Dann besitzen die Folgen \[(x_n) := (\sqrt[n+k]{c_n}) \quad \text{und} \quad (y_n) := (\sqrt[n]{c_n})\] dieselben eigentlichen und uneigentlichen Häufungspunkte.
Beweis. $(f_n)$ und $(g_n)$ mögen (respektive) wie in der Proposition und Korollar 1 erklärt sein. Dann gilt für alle $n\in\N$: \[f_n(x_n) = \sqrt[n]{c_n} = y_n.\] Nach der Proposition und dem Lemma ist jeder eigentliche Häufungspunkt von $(x_n)$ ein Häufungspunkt von $(y_n)$. Da \[g_n(y_n) = g_n(f_n(x_n)) = x_n,\] ist umgekehrt nach Korollar 1 und dem Lemma jeder eigentliche Häufungspunkt von $(y_n)$ ein Häufungspunkt von $(x_n)$.

$-\infty$ ist weder uneigentlicher Häufungspunkt von $(x_n)$ noch uneigentlicher Häufungspunkt von $(y_n)$, da alle Folgenglieder von $(x_n)$ und alle Folgenglieder von $(y_n)$ nichtnegativ (das heißt $\geq0$) sind; wäre etwa $-\infty$ Häufungspunkt (im uneigentlichen Sinn) von $(x_n)$, so würde die Unendlichkeit der Menge \[\{n\in\N \mid x_n < 0\}\] folgen.

Angenommen, $+\infty$ ist uneigentlicher Häufungspunkt von $(x_n)$. Sei $K \in \R$ beliebig. Dann gilt für alle $x \in \R$ mit $x > \max(K,1)$ und alle $n\in\N$: \[f_n(x) = \sqrt[n]{x^{n+k}} = (\sqrt[n]x)^{n+k} = x\cdot \sqrt[n]{x^k} > x\cdot 1 = x > K.\] Daher ist mit der Menge \[\{n\in\N \mid x_n > \max(K,1)\}\] auch die Menge \[\{n\in\N \mid f_n(x_n) > K\}\] unendlich. Folglich ist $+\infty$ uneigentlicher Häufungspunkt von $(y_n)$.

Angenommen umgekehrt, $+\infty$ ist uneigentlicher Häufungspunkt von $(y_n)$. Sei $L\in\R$ beliebig. Dann gilt für alle $y\in\R$ mit $y > \max(L^{1+k},1)$ und alle $n\in\N$: \[g_n(y) = \sqrt[n+k]{y^n} \geq \sqrt[1+k]y > L.\] Daher ist mit der Menge \[\{n\in\N \mid y_n > \max(L^{1+k},1)\}\] auch die Menge \[\{n\in\N \mid g_n(y_n) > L\}\] unendlich. Folglich ist $+\infty$ uneigentlicher Häufungspunkt von $(x_n)$. $\Box$
Korollar 3. Sei $k\in\N_0$ und $(b_n)_{n\in\N}$ eine Folge in $[0,+\infty)$. Dann besitzen die Folgen \[(\sqrt[n]{b_{n}}) \quad \text{und} \quad (\sqrt[n]{b_{n+k}})\] dieselben eigentlichen und uneigentlichen Häufungspunkte.
Beweis. Offensichtlich besitzen die Folgen \[(\sqrt[n]{b_{n}}) \quad \text{und} \quad (\sqrt[n+k]{b_{n+k}})\] dieselben eigentlichen und uneigentlichen Häufungspunkte. Nach Korollar 2 (angewendet auf die Folge $(c_n)$, die durch $c_n = b_{n+k}$ gegeben ist) besitzen zudem die Folgen \[(\sqrt[n+k]{b_{n+k}}) \quad \text{und} \quad (\sqrt[n]{b_{n+k}})\] dieselben eigentlichen und uneigentlichen Häufungspunkte. Somit folgt die Behauptung. $\Box$
Korollar 4. Sei $k\in\N_0$ und $(a_n)_{n\in\N}$ eine Folge in $\R$. Dann gilt \eqref{e_claim}.
Beweis. Bekanntlich ist der Limes superior einer Folge reeller Zahlen der größte eigentliche oder uneigentliche Häufungspunkt dieser Folge (wobei die typische Ordnung auf $\R \cup \{\pm\infty\}$ verwendet wird, wonach $-\infty<x<+\infty$ für alle $x\in\R$ gilt). Daher ist der Limes superior der Folge $(\sqrt[n]{|a_n|})$ gleich dem größten Häufungspunkt von $(\sqrt[n]{|a_n|})$. Nach Korollar 3 (angewendet auf die Folge $(b_n)$, die durch $b_n = |a_n|$ gegeben ist) ist der größte Häufungspunkt von $(\sqrt[n]{|a_n|})$ gleich dem größten Häufungspunkt von $(\sqrt[n]{|a_{n+k}|})$. Der größte Häufungspunkt von $(\sqrt[n]{|a_{n+k}|})$ ist aber wiederum gleich dem Limes superior von $(\sqrt[n]{|a_{n+k}|})$. $\Box$

Dienstag, 10. Dezember 2013

Übungen zur Analysis I (nicht vertieft): Lösungen zu Blatt 8

Aufgabe 5 (Staatsexamen Frühjahr 2013, Thema Nr. 1, Aufgabe 1 b)).
Für welche $x \in \mathbb R$ konvergiert die folgende Reihe? Berechnen Sie gegebenenfalls den Grenzwert.
\begin{equation}\label{e_series0}
 \sum_{n=1}^\infty nx^{n-1}.
\end{equation}
Lösung. Sei $x \in \mathbb R$. Angenommen, $|x|<1$. Dann ist die geometrische Reihe \[\sum_{n=0}^\infty x^n\] bekanntlich absolut konvergent, und zwar gegen $\frac1{1-x}$. Dem Cauchyschen Produktsatz zufolge ist also die Reihe \[\sum_{n=0}^\infty\left(\sum_{k=0}^nx^kx^{n-k}\right) = \sum_{n=0}^\infty\left(\sum_{k=0}^nx^n\right) = \sum_{n=0}^\infty(n+1)x^n\] (absolut) konvergent und besitzt die Summe \[\left(\frac1{1-x}\right)^2.\] Die Reihe \eqref{e_series0} entsteht aus der Reihe \[\sum_{n=0}^\infty(n+1)x^n\] durch Indexverschiebung. Genauer gesagt gilt für alle $N \in \mathbb N$: \[\sum_{n=0}^{N-1}(n+1)x^n = \sum_{n=1}^{N}nx^{n-1}.\] Mithin ist die Reihe \eqref{e_series0} konvergent gegen $\left(\frac1{1-x}\right)^2$. Angenommen, $|x| \geq 1$ . Dann gilt für alle $n \in \mathbb N$: \[|nx^{n-1}| = n|x|^{n-1} \geq n1 \geq 1.\] Insbesondere ist die Folge \[(nx^{n-1})_{n \in \mathbb N}\] keine Nullfolge. Die Reihe \eqref{e_series0} ist daher nicht konvergent.
Aufgabe 6 (Staatsexamen Frühjahr 2013, Thema Nr. 2, Aufgabe 1).
Bestimmen Sie für jede der folgenden Reihen alle $x \in \mathbb R$, für die die Reihe konvergiert.
\[
 \sum_{k=0}^\infty e^{xk}, \quad \sum_{k=0}^\infty e^kx^k, \quad \sum_{k=0}^\infty \frac1{e^x + k}.
\]
Lösung. Sei $x \in \mathbb R$.
(i). Wir wissen: für alle $q \in \mathbb R$ ist die geometrische Reihe \[\sum_{k=0}^\infty q^k\] genau dann konvergent, wenn $|q|<1$. Daher ist die Reihe \[\sum_{k=0}^\infty e^{xk} = \sum_{k=0}^\infty (e^x)^k\] genau dann konvergent, wenn \[e^x = |e^x| < 1;\] hier geht ein, dass $0 < e^x$. Aufgrund der strikten Monotonie der Exponentialfunktion gilt aber $e^x < 1 = e^0$ genau dann, wenn $x<0$.
(ii). Die Reihe \[\sum_{k=0}^\infty e^kx^k = \sum_{k=0}^\infty (ex)^k\] ist genau dann konvergent, wenn \[e|x| = |ex| < 1.\] Letzteres ist gleichbedeutend damit, dass $|x|<\frac1e$.
(iii). Nach dem archimedischen Axiom gibt es eine natürliche Zahl $l$, so dass $e^x < l$. Für alle $k \in \mathbb N_0$ gilt also \[e^x + k < l + k,\] das heißt, \[0 < \frac1{l+k} < \frac1{e^x + k}.\] Da die harmonische Reihe (bestimmt gegen $+\infty$) divergent ist, ist auch die Reihe \[\sum_{k=0}^\infty \frac1{l+k}\] (bestimmt gegen $+\infty$) divergent, denn für alle $K \in \mathbb N_0$ gilt: \[\sum_{k=0}^K \frac1{l+k} = \sum_{n=1}^{l+K}\frac1n - \sum_{n=1}^{l-1}\frac1n.\] Nach dem Minorantenkriterium ist auch die Reihe \[\sum_{k=0}^\infty \frac1{e^x + k}\] (bestimmt gegen $+\infty$) divergent.
Aufgabe 7 (Staatsexamen Herbst 2012, Thema Nr. 1, Aufgabe 1).
Sei
\begin{equation}
 \sum_{n=0}^\infty a_nx^n \label{e_7}
\end{equation}
eine Potenzreihe mit Konvergenzradius $r$, wobei $1 < r < \infty$ sei.
a) Bestimmen Sie den Konvergenzradius der Potenzreihe
\begin{equation}\label{e_7a}
 \sum_{n=0}^\infty a_nx^{2n}.
\end{equation}
b) Bestimmen Sie den Konvergenzradius der Potenzreihe
\begin{equation}\label{e_7b}
 \sum_{n=0}^\infty c_nx^n,
\end{equation}
wobei $c_n = a_n^n$ für alle $n \in \mathbb N_0$ sei.
Lösung. a) Sei $x \in \mathbb R$. Angenommen, $|x|<\sqrt{r}$. Dann gilt: \[|x^2|=|x|^2<(\sqrt{r})^2=r.\] Da $r$ der Konvergenzradius von \eqref{e_7} ist, ist demnach die Reihe \[\sum_{n=0}^\infty a_n(x^2)^n = \sum_{n=0}^\infty a_nx^{2n}\] absolut konvergent. Angenommen, $|x|>\sqrt{r}$. Dann gilt $|x^2|>r$. Da $r$ der Konvergenzradius von \eqref{e_7} ist, ist die Reihe \[\sum_{n=0}^\infty a_n(x^2)^n = \sum_{n=0}^\infty a_nx^{2n}\] divergent. Diesen Überlegungen zufolge ist der Konvergenzradius der Reihe \eqref{e_7a} gleich $\sqrt{r}$.

b) Nach der Formel von Cauchy-Hadamard gilt \[\frac1{\limsup_{n\to\infty}\sqrt[n]{|a_n|}} = r,\] also \[\limsup_{n\to\infty}\sqrt[n]{|a_n|} = \frac1r.\] Zudem ist $\frac1r<1$, da $1<r$. Sei \[b := \frac12(\frac1r+1).\] Dann haben wir \[\frac1r < b < 1.\] Da \[\lim_{n \to \infty}\sup\{\sqrt[m]{|a_m|}\mid m \in \mathbb N, n \leq m\} = \frac1r,\] gibt es ein $n_0 \in \mathbb N$, so dass für alle $n\in\mathbb N$ mit $n \geq n_0$: \[\sup\{\sqrt[m]{|a_m|}\mid m \in \mathbb N,n \leq m\} < b.\] Insbesondere haben wir für alle $m\in\mathbb N$, $m \geq n_0$: \[\sqrt[m]{|a_m|} < b,\] und somit \[|a_m| < b^m.\] Wegen $0<b<1$ ist \[\lim_{m\to\infty}b^m=0,\] also auch \[\lim_{m\to\infty} |a_m|=0.\] Das heißt, \[\limsup_{n\to\infty}\sqrt[n]{|c_n|} = \lim_{n\to\infty}\sqrt[n]{|a_n^n|}=\lim_{n\to\infty}\sqrt[n]{|a_n|^n}=\lim_{n\to\infty}|a_n|=0.\] Der Konvergenzradius der Reihe \eqref{e_7b} beträgt also, gemäß Cauchy-Hadamardscher Formel, $+\infty$.
Aufgabe 8 (Staatsexamen Frühjahr 2012, Thema Nr. 2, Aufgabe 3).
a) Bestimmen Sie den Konvergenzradius $r$ der Potenzreihe
\[
 R(x) = \sum_{n=0}^\infty (-1)^n \frac1{\sqrt{3^n}(5n^2 + 1)} x^n.
\]
b) Beurteilen Sie, ob $R(x)$ an den Stellen $x = r$ und $x = -r$ konvergiert oder divergiert.
Lösung. a) Für alle $n \in \mathbb N$ haben wir:
\begin{align*}
 \sqrt[n]{\left|(-1)^n\frac1{\sqrt{3^n}(5n^2+1)}\right|} & = \sqrt[n]{\frac1{\sqrt{3^n}(5n^2+1)}} \\
 & = \frac1{\sqrt[n]{\sqrt{3^n}(5n^2+1)}} \\
 & = \frac1{\sqrt[n]{\sqrt{3^n}}\sqrt[n]{5n^2+1}} \\
 & = \frac1{\sqrt{\sqrt[n]{3^n}}\sqrt[n]{5n^2+1}} \\
 & = \frac1{\sqrt3\sqrt[n]{5n^2+1}},
\end{align*}
zudem
\[
 \sqrt[n]{5n^2+1} = \sqrt[n]{\left(5+\frac1{n^2}\right)n^2} = \sqrt[n]{5+\frac1{n^2}}\sqrt[n]{n^2} = \sqrt[n]{5+\frac1{n^2}}(\sqrt[n]n)^2
\]
und
\[
 \sqrt[n]5 < \sqrt[n]{5+\frac1{n^2}} \leq \sqrt[n]6.
\]
Da
\[
 \lim_{n\to\infty}\sqrt[n]5 = \lim_{n\to\infty}\sqrt[n]{6} = 1,
\]
haben wir also
\[
 \lim_{n\to\infty}\sqrt[n]{5+\frac1{n^2}} = 1.
\]
Und da
\[
 \lim_{n\to\infty}\sqrt[n]n = 1,
\]
ergibt sich weiter
\[
 \lim_{n\to\infty}\sqrt[n]{5n^2+1} = 1 \cdot 1^2 = 1.
\]
Demnach gilt
\[
 \lim_{n\to\infty}\sqrt[n]{\left|(-1)^n\frac1{\sqrt{3^n}(5n^2+1)}\right|} = \frac1{\sqrt3},
\]
und mithin
\[
 \limsup_{n\to\infty}\sqrt[n]{\left|(-1)^n\frac1{\sqrt{3^n}(5n^2+1)}\right|} = \frac1{\sqrt3}.
\]
Die Formel von Cauchy-Hadamard liefert also
\[
 r = \frac1{\frac1{\sqrt3}} = \sqrt3.
\]

b) Es gilt
\begin{align}
 R(\pm r) & = R(\pm\sqrt3) = \sum_{n=0}^\infty (-1)^n\frac1{\sqrt{3^n}(5n^2+1)}(\pm\sqrt3)^n \notag \\ & = \sum_{n=0}^\infty (\mp1)^n\frac1{5n^2+1}, \label{e_8b}
\end{align}
und für alle $n \in \mathbb N$ haben wir
\[
 0 < n^2 < 5n^2 + 1,
\]
also
\[
 \left|(\mp1)^n\frac1{5n^2+1}\right| = \frac1{5n^2+1}  < \frac1{n^2}.
\]
Die Reihe
\[
 \sum_{n=1} \frac1{n^2}
\]
ist bekanntlich konvergent (gegen $\frac{\pi^2}6$). Nach dem Majorantenkriterium sind daher die Reihen \eqref{e_8b} absolut konvergent, mithin konvergent (im gewöhnlichen Sinn).

Übungen zur Analysis I (nicht vertieft): Lösungen zu Blatt 5

Aufgabe 5 (Staatsexamen Frühjahr 2012, Thema Nr. 1, Aufgabe 1).
a) Sei $(a_n)_{n \in \mathbb N}$ eine gegen $a$ konvergente Folge in $\mathbb R$. Zeigen Sie, dass dann auch die Folge $(b_n)_{n \in \mathbb N}$ mit
\[
 b_n := \frac12(a_n + a_{n+1}) \qquad \text{für alle } n \in \mathbb N
\]
gegen $a$ konvergiert.
b) Finden Sie eine Folge $(a_n)_{n \in \mathbb N}$, die nicht konvergiert, so dass die zugehörige Folge $(b_n)_{n \in \mathbb N}$ konvergiert.
c) Sei vorausgesetzt, dass $(a_n)_{n \in \mathbb N}$ monoton wächst und dass $(b_n)_{n \in \mathbb N}$ konvergiert. Zeigen Sie, dass dann auch $(a_n)_{n \in \mathbb N}$ konvergiert.
Lösung. a) Sei $\epsilon \in \mathbb R$, $\epsilon > 0$. Da die Folge $(a_n)_{n \in \mathbb N}$ konvergent gegen $a$ ist, existiert ein $n_0 \in \mathbb N$, so dass für alle $n \in \mathbb N$ mit $n \geq n_0$ gilt: \[|a_n - a| < \epsilon,\] das heißt \[-\epsilon < a_n-a < \epsilon.\] Sei jetzt $n \in \mathbb N$ und $n \geq n_0$. Angenommen, $a_n \leq a_{n+1}$. Dann folgt \[a_n = \frac12(a_n+a_n) \leq \frac12(a_n+a_{n+1}) \leq \frac12(a_{n+1}+a_{n+1}) = a_{n+1},\] also \[-\epsilon < a_n-a \leq b_n-a \leq a_{n+1}-a < \epsilon,\] und somit \[|b_n-a|<\epsilon.\] Wenn nicht $a_n \leq a_{n+1}$, so ist $a_{n+1}<a_n$, und durch ein entsprechendes Argument gelangt man zum selben Schluss: $|b_n-a|<\epsilon$. Die Folge $(b_n)_{n\in\mathbb N}$ ist daher konvergent gegen $a$, q. e. d. $\Box$

b) Wenn $a_n = (-1)^n$ für alle $n \in \mathbb N$, dann ist die Folge $(a_n)_{n \in \mathbb N}$ nicht konvergent (denn: \[|a_{n+1}-a_n| = |(-1)^n((-1)-1)| = 2\] für alle $n \in \mathbb N$, das heißt $(|a_{n+1}-a_n|)$ ist keine Nullfolge ...). Andererseits gilt für alle $n \in \mathbb N$: \[b_n = \frac12((-1)^n+(-1)^{n+1}) = \frac12(-1)^n(1+(-1)) = 0,\] das heißt die Folge $(b_n)_{n\in\mathbb N}$ ist konvergent (gegen $0$).

c) Da $(b_n)_{n\in\mathbb N}$ konvergiert, ist $(b_n)$ insbesondere (nach oben) beschränkt, das heißt es gibt eine reelle Zahl $c$, so dass für alle $n \in \mathbb N$ gilt $b_n \leq c$. Aufgrund der Monotonie von $(a_n)$ ist, für alle $n\in\mathbb N$, $a_n \leq a_{n+1}$, also \[a_n \leq \frac12(a_n+a_{n+1}) = b_n \leq c.\] Das heißt die Folge $(a_n)$ ist nach oben beschränkt. Folglich ist $(a_n)$ konvergent als nach oben beschränkte, monoton wachsende Folge. $\Box$
Aufgabe 6 (Staatsexamen Herbst 2007, Thema Nr. 1, Aufgabe 1).
Gegeben sei die Folge $(a_n)_{n \in \mathbb N}$ mit
\[
 a_1 = 1, \qquad a_{n+1} = \sqrt{12 + a_n}, \quad n \geq 1.
\]
a) Zeigen Sie, dass $(a_n)$ monoton wachsend und beschränkt ist.
b) Bestimmen Sie den Grenzwert von $(a_n)$.
Lösung. a) Es gilt \[a_{1+1} = \sqrt{12+a_1} = \sqrt{13},\] das heißt \[1 \leq a_1 \leq a_{1+1} \leq 4.\] Sei $n \in \mathbb N$ und gelte \[1 \leq a_n \leq a_{n+1} \leq 4.\] Dann folgt: \[1 < 13 \leq 12+a_n \leq 12+a_{n+1} \leq 16 = 4^2,\] und mithin \[1 < \sqrt{12+a_n} \leq \sqrt{12+a_{n+1}} \leq 4,\] also \[1 \leq a_{n+1} \leq a_{(n+1)+1} \leq 4.\] Aus dem Induktionsprinzip ergibt sich, dass für alle $n \in \mathbb N$ gilt: \[1 \leq a_n \leq a_{n+1} \leq 4.\] Insbesondere haben wir für alle $n \in \mathbb N$: \[a_n \leq a_{n+1}\] sowie \[1 \leq a_n \leq 4.\] Das heißt, die Folge $(a_n)$ ist monoton wachsend und beschränkt. $\Box$

b) Nach Teil a) ist $(a_n)$, als monoton wachsende, nach oben beschränkte Folge, konvergent. Es gibt also eine reelle Zahl $a$, so dass \[\lim_{n\to\infty}a_n = a.\] Daher gilt auch \[\lim_{n\to\infty}a_{n+1}=a.\] Da, für alle $n \in \mathbb N$, \[a_{n+1}^2=12+a_n,\] folgt weiter \[a^2 = \lim_{n\to\infty} a_{n+1}^2 = \lim_{n\to\infty} (12+a_n) = 12+a,\] also \[a^2-a-12=(a+3)(a-4)=0.\] Das heißt $a=-3$ oder $a=4$. Da für alle $n \in \mathbb N$ gilt \[1 \leq a_n\] (siehe a)), folgt \[1 \leq a.\] Da nicht $1 \leq -3$, schließen wir, dass $a=4$.
Aufgabe 7 (Staatsexamen Herbst 2001, Thema Nr. 3, Aufgabe 1)Die Folge $(a_n)_{n \in \mathbb N}$ sei definiert durch
\[
 a_1 = 2, \quad a_{n+1} = \frac1{a_1 + 2a_2 + \dots + na_n}.
\]
Zeigen Sie:
a) $(a_n)$ ist monoton fallend und beschränkt.
b) $\lim_{n \to \infty} a_n = 0$.
Lösung. a) Es gilt: \[a_2=a_{1+1}=\frac1{a_1}=\frac12.\] Sei $n \in \mathbb N$, $n \geq 2$, so dass, für alle $j \in \mathbb N$ mit $2 \leq j \leq n$, gilt \[a_j = \frac1j.\] Dann haben wir \begin{align*}a_{n+1}&=\frac1{a_1 + 2a_2 + \dots + na_n} = \frac1{2+2\frac12+\dots+n\frac1n} \\ &=\frac1{2+\underbrace{1+\dots+1}_{(n-1)\text{-mal}}}=\frac1{2+(n-1)}=\frac1{n+1}.\end{align*} Das heißt, für alle $j \in \mathbb N$ mit $2\leq j\leq n+1$, gilt: \[a_j=\frac1j.\] Das Induktionsprinzip besagt nun, dass, für alle $n \in \mathbb N$ mit $n \geq 2$: \[a_n=\frac1n.\] Demnach ist \[0 < a_{n+1} < a_n < 1\] für alle $n \in \mathbb N$ mit $n \geq 2$. Zudem gilt \[a_{1+1} = a_2 = \frac12 < 2 = a_1.\] Die Folge $(a_n)$ ist somit (streng) monoton fallend und beschränkt. $\Box$

b) Bekanntlich gilt \[\lim_{n \to \infty} \frac1n = 0.\] Nach Teil a) stimmen die Folgen $(\frac1n)_{n\in\mathbb N}$ und $(a_n)_{n \in \mathbb N}$ für $n \geq 2$ überein. Somit konvergiert $(a_n)$ ebenfalls gegen $0$. $\Box$
Aufgabe 8. Untersuchen Sie die Folge $(a_n)_{n \in \mathbb N}$ auf Konvergenz, wenn für alle $n \in \mathbb N$ gilt:
\[
\text{a)} \; a_n = \sqrt[n]{n^2 + n}. \quad \text{b)} \; a_n = \frac{n!}{n^n}. \quad \text{c)} \; a_n = \sqrt[n]{a^n + b^n},
\] wobei $a,b \in [0,\infty)$. 
Lösung. a) Für alle $n \in \mathbb N$ gilt: \begin{align*}a_n &= \sqrt[n]{n^2 + n} = \sqrt[n]{n^2\left(1 + \frac1n\right)} \\ &= \sqrt[n]{n^2}\sqrt[n]{1+\frac1n} = (\sqrt[n]n)^2\sqrt[n]{1+\frac1n}.\end{align*} Wir wissen, dass \[\lim_{n\to\infty}\sqrt[n]n = 1.\] Außerdem gilt für alle $n \in \mathbb N$: \[0<\frac1n \leq 1,\] also \[1 < 1+\frac1n \leq 2,\] also \[1 < \sqrt[n]{1+\frac1n} \leq \sqrt[n]2.\] Da \[\lim_{n\to\infty}\sqrt[n]2 = 1,\] folgt \[\lim_{n\to\infty} \sqrt[n]{1+\frac1n} = 1\] und damit \[\lim_{n\to\infty} a_n = 1^2\cdot 1 = 1.\]

b) Nach der Bernoullischen Ungleichung gilt \[2 = 1+n\frac1n \leq (1+\frac1n)^n\] für alle $n \in \mathbb N$, und daher auch \[\frac{a_{n+1}}{a_n} = \frac{n^n}{n!}\frac{(n+1)!}{(n+1)^{n+1}} = \frac{n^n}{(n+1)^n} = \frac1{\left(1+\frac1n\right)^n} \leq \frac12.\] Hieraus folgert man induktiv, dass, für alle $n \in \mathbb N$: \[0 < a_n \leq \left(\frac12\right)^{n-1}a_1.\] Mit \[\lim_{n\to\infty} \left(\frac12\right)^n = 0\] ist also auch \[\lim_{n\to\infty} a_n = 0.\]

c) Angenommen, $a<b$. Dann ist $0 < b$ und für alle $n\in\mathbb N$ gilt:
\begin{align*}
 a_n &= \sqrt[n]{a^n+b^n}= \sqrt[n]{b^n(\frac{a^n}{b^n}+1)} = \sqrt[n]{b^n}\sqrt[n]{\frac{a^n}{b^n}+1} \\ &= b\sqrt[n]{\frac{a^n}{b^n}+1}
\end{align*}
sowie
\[
 0 \leq a^n < b^n,
\]
das heißt
\[
 1 = 0+1 \leq \frac{a^n}{b^n}+1 \leq 1+1 = 2,
\]
also
\[
 1 \leq \sqrt[n]{\frac{a^n}{b^n}+1} \leq \sqrt[n]2.
\]
Da
\[
 \lim_{n\to\infty} \sqrt[n]2 = 1,
\]
folgt
\[
 \lim_{n\to\infty} \sqrt[n]{(\frac{a}{b})^n+1} = 1,
\]
und somit:
\[
 \lim_{n\to\infty} a_n = b \cdot 1 = b.
\]
Angenommen, $b<a$. Dann ergibt sich analog (oder aus Symmetriegründen), dass $(a_n)$ konvergent gegen $a$ ist. Ist weder $a<b$ noch $b<a$, so gilt $a=b$ und wir haben (für alle $n \in \mathbb N$):
\[
 a_n = \sqrt[n]{2a^n} = \sqrt[n]2\sqrt[n]{a^n} = \sqrt[n]2\cdot a \longrightarrow 1 \cdot a = a
\]
für $n\to\infty$.

Montag, 10. Juni 2013

Übungen zur Geometrie: Lösungen zu Blatt 6

Aufgabe 4

Satz. Seien $X$ und $Y$ disjunkte, wegzusammenhängende topologische Räume, $A \subset X$ eine nichtleere Teilmenge, $f \colon A \to Y$ eine Abbildung. Dann ist der Raum $Z := Y \cup_f X$ wegzusammenhängend.
Bemerkung. In der Aufgabenstellung fehlt die Voraussetzung, dass $A \neq \emptyset$. Ohne diese zusätzliche Voraussetzung ist der Schluss auf den Wegzusammenhang von $Z$ jedoch offensichtlich nicht gültig.
Beweis. Seien $z_0,z_1 \in Z$. Als Äquivalenzklassen einer Äquivalenzrelation auf $Y \cup X$ gilt \[\emptyset \neq z_0,z_1 \subset Y \cup X.\] Es existieren also $s_0 \in z_0$ und $s_1 \in z_1$, und wir haben \[s_0,s_1 \in Y \cup X.\] Angenommen $s_0,s_1 \in X$. Dann gibt es einen Weg $\gamma$ in $X$ von $s_0$ nach $s_1$, da $X$ wegzusammenhängend ist. Die Komposition von $\gamma$ mit der evidenten – und stetigen – Abbildung \[X \to Y \cup X \to Y \cup_f X = Z\] ist folglich ein Weg in $Z$ von $[s_0] = z_0$ nach $[s_1] = z_1$. Analog argumentiert man für den Fall, dass $s_0,s_1 \in Y$. Angenommen nun $s_0 \in X$ und $s_1 \in Y$. Da $A \neq \emptyset$, gibt es ein Element $a \in A$. Aufgrund des Wegzusammenhangs von $X$ existiert ein Weg $\gamma$ in $X$ von $s_0$ nach $a$. Aufgrund des Wegzusammenhangs von $Y$ existiert ein Weg $\delta$ in $Y$ von $f(a)$ nach $s_1$. Da \[[a] = [f(a)]\] in $Z$, ist die Verkettung der Bildwege von $\gamma$ und $\delta$ in $Z$ ein Weg in $Z$ von $[s_0]=z_0$ nach $[s_1]=z_1$. Trifft keiner der bereits behandelten Fälle zu, so ist $s_0 \in Y$ und $s_1 \in X$. Analog zur vorherigen Situation erhält man einen Weg in $Z$ von $z_0$ nach $z_1$. $\Box$